Die letzten Beschlagnahmungen von Domains seitens der Vereinigten Staaten sind gradiose Beispiele an Agressivität und Dreistigkeit gegenüber der freien Welt. Menschen in den USA mögen dies als keine große Sache abtun. Dem Rest der Welt kommt dies aber der Erklärung eines Handelkrieges gleich.
Die Behörden in den USA beschlagnahmen schon seit einiger Zeit Domains. Jede solche Handlung ist eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Bisher haben sie jedoch stets die Tatsache ausgenutzt, dass die Domains bei einem Registrar in den USA gemietet wurden, und haben diesen dazu gezwungen, den Vertrag aufzulösen. Viele politische Meinungen und mehrere Unternehmen außerhalb der Reichweite der US-Gesetzgebung sind so abgeschaltet worden nur weil irgendeine Firma oder Behörde in den USA sie nicht mochten. Die Rechte der Inhaber interessierten dabei nicht.
Aber die neueste Entwicklung ist nichts weniger als eine direkte Erklärung eines Handelskrieges in Form einer ersten kriegerischen Handlung. Ein Gericht in Maryland hat entschieden, dass die Webseite einer nicht-US-amerikanische Firma mit Sitz außerhalb der USA, die ihre Domain von einem nicht-US-amerikanischen Registrar gemietet hatte trotzdem von den USA abgeschaltet werden kann – in diesem Fall bodog.com in Kanada, ein Weltmarktführer mit hunderten von Angestellten.
In einer kurzen technischen Zusammenfassung (Link in Englisch) wie dies möglich ist, wird dargestellt, wie die USA die Netzinfrastruktur misbraucht hat um ein Unternehmen auszuschalten, das ihr Hoheitsgebiet nie betreten hatte. Wie ein U-Boot, das aus dem Nichts auftaucht weit entfernt von seiner Heimat, kurz “hallo” sagt, alles im Umkreis zerstört und dann wieder verschwindet.
Ich glaube, dass viele Menschen in den USA die Implikationen, die sich daraus ergeben, gar nicht verstehen, dass sie denken, dies sei nichts ungewöhnliches. Das ist es nicht. Es ist ganz offensichtlich eine kriegerische Handlung: Die USA nutzt Gewalt um ihren Willen durchzusetzen im Einzugsbereich ihrer Gesetzgebung und auf andere Gesetzgebungen. Wenn Sie eine Parallele benötigen – es gibt keinen Unterschied zwischen dieser Handlung der USA und dem Fall wenn der Iran Gewalt einsetzt, um die Scharia in den USA durchzusetzen. Dies mag hervorheben, wie scheußlich, aggressiv und dreist diese Handlung und Einstellung seitens der USA ist.
Die USA bekraftigt ihre Dominanz und zwingt ihren Willen den Handelsbeziehungen zwischen anderen, unabhängigen Staaten auf. Zum Beispiel den Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich. Es dürfte eine Untertreibung sein zu sagen, dass den Leuten dies aufstoßen wird.
Wenn Sie in den USA leben – würde es Ihnen misfallen, wenn der Iran die Scharia-Gesetze in den USA durchsetzte? Wären Sie ärgerlich? Wütend sogar? Gut. Das ist eine durchaus vernünftige Reaktion. Vielleicht wäre Sie sogar bereit, Ihr Gewehr zur Hand zu nehmen, um Ihre Rechte, Souveränität und Lebensweise zu verteidigen? Dann wissen Sie nun genau wie sich der Rest der Welt fühlt bezüglich dieses Verhaltens – nein, dieser Kriegshandlung seitens der USA.
Die Lösung in diesem Fall liegt nicht darin, die Behörden in den USA (oder Maryland) für das, was sie tun, unter Druck zu setzen. Die folgen ihren eigenen Regeln und interessieren sich gar nicht dafür, wie die USA von Rest der Welt angesehen werden. Das ist nicht deren Zuständigkeit. Stattdessen müssen wir für die Lösung einen neuen technischen Begriff einführen, der bei der Weiterentwicklung des DNS berücksichtigt werden muss.
Als Techies, Architekten und Programmierer sprechen wir häufig über einzelne Fehler, die zu einem Gesamtausfall führen können (single points of failure). Damit haben wir stets einzelne technische Ausfälle gemeint. Mit diesem arroganten Griff nach der Macht müssen wir erkennen, dass es in jedem System zwei unterschiedliche Arten von Einzelfehlern gibt, die zu einem Gesamtausfall führen können. Von jetzt an müssen wir auch alle Einzelfehler juristischer Art, die zu einem Ausfall des Gesamtsystems führen können berücksichtigen: keine Behörde darf die technische Möglichkeit haben, ein System abzuschalten unabhängig davon, ob sie es juristisch kann. Uns interessiert es nicht, ob es legal ist und von den Behörden angeordnet wurde – es ist immer noch böse und nicht hinzunehmen. Legal heißt weder gut (Link in Englisch) noch notwendigerweise akzeptabel. Stellen Sie sich einfach vor, der Iran hätte den Handel oder den Gedankenaustausch zwischen den USA und Kanada mit der gleichen Begründung gestört: “weil wir es können”.
Wir müssen juristische Einzelfehler, die zum Gesamtausfall des Systems führen können im Rahmen der technischen Weiterentwicklung des Protokolls beheben.
Die Alternative, die USA zu bitten, sich zivilisiert zu verhalten und deren Behörden aufzufordern, den Einfluss ihrer Entscheidungen auf den Rest der Welt in Betracht zu ziehen, verdient es nicht, darauf zu warten. Die begehen offene Kriegshandlungen ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken.
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